Seit letzter Woche hat bild.de – als erstes deutschsprachiges Medium – einen mutigen Schritt gesetzt: „Kunden“, die Werbung blockieren, werden blockiert. Hier ist es schon schwer, von Kunden zu sprechen, denn Kunden zahlen normalerweise. Sei es nun in Geld oder in Gegenleistungen wie Daten oder eben dem, zumindest peripheren, Betrachten von Werbung. Warum ist das aber so ein radikaler Schritt? Und was können alle Unternehmen davon lernen?
Online-Medien leben von Werbung und der Preis der Werbung richtet sich in den klassischen Online-Medien vor allem nach der Reichweite. Diejenigen, die es sich leisten können, versuchen Pay-per-Click-Konzepte o. Ä. zu vermeiden. Diese funktionieren bei typischen Click-Rates von 0,5 bis 1 % nur bei wirklich hohen Frequenzen, wie es Google oder Facebook schaffen. Darin liegt auch schon der Grund, warum nicht einfach alle Medien diese User aussperren: Sie haben Sorge, dass ihre Reichweite signifikant fällt, und diese ist für alle Medien, die mit Werbung Geld verdienen möchten, öffentlich gemessen und einsehbar. Sei es durch die ÖWA in Österreich oder die IVW in Deutschland.
Und genau diese Angst kennzeichnet den mangelnden unternehmerischen Mut nicht nur von Medien, sondern von vielen Unternehmen. Man fürchtet, Kunden zu verlieren, und wird dadurch handlungsunfähig. Randprodukte, die mehr kosten als bringen, werden nicht eingestampft, weil es drei große Kunden von einem wichtigen Außendienstmitarbeiter kaufen, der lautstark auftritt und Abwanderungsängste schürt. Zu teure Rabattsysteme werden nicht umgestellt, Preiserhöhungen nicht durchgesetzt und berechtigte Mindermengenzuschläge nicht konsequent berechnet.
Aber ist diese Angst berechtigt? Nein.
Eine intakte Kundenbeziehung ist von nachvollziehbaren und fairen Regeländerungen nicht gefährdet. Dafür sorgt die menschliche Psyche. Das Phänomen dahinter bezeichnet man als „Status quo Bias“; gemeint ist damit der menschliche Hang zum Status quo. Wir vermeiden Veränderung. Eine Phänomen, das sich Medien gerne in Form von Probeabos zu Nutze machen. Man schenkt 6 Wochen her, einfach in dem Wissen, dass dadurch ein neuer Status quo entsteht und die meisten das Abo nicht beenden.
Noch radikaler wird dieses Phänomen beim Thema Stromanbieter deutlich: Wechseln ist einfach. Ein Klick und fertig. Allein, die Leute wechseln nicht. 2014 und 2015 hat der Verein für Konsumenteninformation – VKI – (das österreichische Pendant zur Stiftung Warentest) eine intelligente Aktion ins Leben gerufen. Man meldete sich mit seinen Energie-Daten an und der VKI bildete daraus eine Art Einkaufsgemeinschaft. Dieses Stromeinkaufspotenzial wurde am Markt versteigert. 308.410 Haushalte (!), also gut 10 % der österreichischen Haushalte, machten mit. Ein Riesenerfolg. Dieses Paket wurde erfolgreich versteigert und der durchschnittliche Haushalt konnte so ohne Aufwand bis zu 177 Euro sparen. Einfach so.
Aber nachdem das Angebot da war, wechselten nur 82.500 tatsächlich. 308.000 Haushalte nahmen sich die Zeit, ein langes Internetformular auszufüllen, ihre Daten detailliert aufzubereiten, aus den vergangenen Rechnungen rauszusuchen usw. Der Aufwand zum tatsächlichen Wechseln war viel geringer: ein Klick in einem E-Mail. Und trotzdem machten das nur nur 26 % der Teilnehmer.
26 % und das bei scheinbarem Null-Aufwand und ohne Hürden.
Das ist das Phänomen des Status quo Bias und genau das kann Ihnen als Unternehmer die Sicherheit geben, gestalten zu können.